Märchen, die der Brüder Grimm, Wilhelm Hauff und Hans-Christian Andersen fallen mir für unseren Kulturraum ein. Ich weiß noch, dass ich in meiner Teenagerzeit sämtliche Bände der „Märchen der Welt“ verschlungen habe. Mich regelrecht in Märchenwelten verkrochen habe. Und Fische sind die Zeit des Rückzugs und der Märchen.
Und welche Märchen haben wir heute?
Heute sehen wir fern, vielleicht zu Weihnachten mit den Kindern eine Märchenverfilmung. Harry Potter oder Fantasy der einen oder anderen Art fallen unter moderne Märchen. Märchen oder das „Stell dir vor“ gehören zu der Phantasiewelt der Fische. Und genau das „Stell dir vor“ gehört auch dazu, uns selbst in einer Zukunft zu sehen, uns vorzustellen, wo wir hinwollen. Wie es aussehen und sich anfühlen soll, wie ich es im letzten Blogbeitrag beschrieben habe. Unsere Vorfahren haben beim Erzählen vor dem Feuer sicherlich auch Märchen erzählt, oder das, was tatsächlich geschehen war, wurde angereichert mit neuen und größeren Elementen. Bis es am Ende vielleicht zu einem Märchen wurde.
Fernsehserien können Märchen sein
Als ich mich gestern durch das Fernsehprogramm klickte, fiel mir die Anzeige einer neuen Serie ins Auge, New Amsterdam – eine Krankenhausserie, die gerade auf Vox angelaufen ist. Ich habe immer gerne Emergency Room gesehen, also dachte ich, passt. Zur Mediathek gewechselt, und angefangen zu gucken.
Es ist keine Krankenhausserie, sondern ein Märchen über die wunderbare Veränderung des Krankenhausbetriebes, angetrieben von einem neuen Leiter.
Ein modernes Märchen mit modernen Konflikten, die gelöst werden wollen
Es geht beispielsweise um einen kleinen Jungen, der so mit Medikamenten vollgestopft ist, dass der Psychiater nicht mal mit ihm sprechen kann. Und der Neurologe unterstützt ihn dabei, die Medikamente abzusetzen. Ein Teamwork von zwei älteren Männern, die tatsächlich einem Jungen helfen wollen.
Ein Herzchirurg, der eine Patientin aus Haiti operieren muss – aber nicht, ohne vorher ein Ritual durchführen zu lassen. Die Patientin lässt sich nicht in den OP schieben ohne dieses Ritual. Er gibt nach, wenn auch erst nach langem Ringen mit sich und der Kollegin.
Realismus oder Fantasy oder Kitsch?
Ich fing an, darüber nachzudenken, warum ich Serienankündigungen mit „eine wirklich realistische Darstellung von …“ wegklickte. Ich wollte das meist nicht sehen. Will ich Realismus, so muss ich gestehen, gucke ich mir lieber eine Dokumentation an. Und ich überlegte, warum auch ich Filme oder Serien schnell bereit war, als kitschig zu bezeichnen. Können wir Märchen nur als solche identifizieren, wenn sie definitiv in einer Phantasiewelt oder in der Zukunft spielen?
Sobald etwas im Fernsehen schön ist, wird es schnell als kitschig bezeichnet
Unseren Kritiker und Realisten abstellen ist manchmal gar nicht so einfach. Ich war wirklich gerührt, während der Kritiker „Kitsch“ rief, und der Realist meinte „das geht nicht lange gut“. Auf der anderen Seite war ich beeindruckt, von den Geschichten, den (inneren und äußeren) Konflikten der Ärzte, den Lösungen, die da gezeigt wurden, und von der Idee, dem „stell dir vor“.
„Wie kann ich helfen?“ – Eine Fische-Frage
Und auch eine Frage, die zu Merkur in den Fischen gehört. Denn das aktive Zuhören, die Zwischentöne hören, Zeit lassen, bis die andere Person alles ausgesprochen hat, das ist eine Kunst.
Wie kann ich helfen? Das ist die Frage, die sich durch die Serie zieht. Immer wieder in den verschiedensten Situation. Wenn der Herzchirurg versucht, einfach zu helfen, ohne den Wunsch nach dem Ritual seiner haitianischen Patientin zu entsprechen, wird er ausgebremst. Die Einstellungen, die dort gezeigt werden, haben mein Herz aufgehen lassen.
Kein „ich weiß es besser, weil ich der Arzt bin“, sondern die einfache Frage „wie kann ich helfen“. Dem Ritual, dem Gespräch, der zwischenmenschlichen Begegnung Raum geben. Und das in einer Fernsehserie.
Fragen lassen den Menschen Entscheidungsmöglichkeiten
Denn allein die Frage öffnet einen Raum. Die Frage lässt Menschen die Möglichkeit, ja oder nein oder vielleicht zu sagen. Sie lässt auch zu, dass es vielleicht gerade keine Möglichkeit zu helfen gibt.
Und dass diese Frage so oft in dieser Serie in den verschiedensten Situationen auftaucht, lässt sie im Kopf weiter arbeiten, lässt darüber nachdenken, warum wir sie nicht öfter stellen, bevor wir unseren Nächsten eine Lösung anbieten.
Fische empfindet oft das Leid der ganzen Welt
Und ja, sie möchten helfen, manchmal grenzenlos. Und vergessen sich selbst und ihre Möglichkeiten dabei. So wie der Arzt, der meint, er müsse alles können, alle retten.
So gehören die Heilung, die Krankheit und das Krankenhaus astrologisch zu den Fischen. Und die Fähigkeit, zuzuhören, dem Raum zu geben, was ist, ist ebenso Heilung.
Fragen und zuhören sind Heilung
Wenn sich ein Mensch gesehen fühlt, kann die Frage nach Hilfe beantwortet werden. Es ist etwas anderes, als wenn er oder sie einfach etwas bekommt, was Hilfe sein soll. Was die Person jedoch als überfordernd, zu viel, zu wenig, das Falsche empfinden kann. Vielleicht auch nur in diesem Moment. Dann handelt nicht mehr die Person, sondern ein Retter, und retten können wir Menschen nicht. Wir können ihnen nur helfen. Wenn Sie es möchten. Wenn es das ist, was die Person in diesem Moment braucht.
Helfen oder retten wollen?
Fast am Ende gibt es eine Szene, wo eine Ärztin ihrer krebskranken Patientin die Nägel lackiert, während sie sprechen. Vielleicht ist das die Hilfe, die gerade benötigt wird. Die lackierten Nägel, die Nähe, die dadurch entsteht, und nicht die Operation, die Chemo, das Wissen, was als nächstes zu tun ist. Gemeinschaft und die Frage nach: „Wie kann ich helfen?“
Das „kann“ in diesem Satz lässt ebenfalls die Möglichkeit zu, dass die Fragende vielleicht nicht helfen kann. Und auch das gibt Raum für Menschlichkeit, das lässt Ärztinnen Raum für eigene Grenzen. Das lässt Rettern Raum für eigene Grenzen. Ich bin immer noch beeindruckt!
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