4 Bücher, die das Denken erweitern

Diese vier (nicht-astrologischen) Bücher wollte ich euch schon länger vorstellen, da ist die Weihnachtszeit eine gute Gelegenheit das nachzuholen.

Die ersten drei Titel würde ich zu dem Themenkreis indigenes Wissen oder auch Traditional Ecological Knowledge (TEC) zuordnen, das vierte gehört zu historischem Wissen über alternative Modelle und Lebensformen im europäischen Mittelalter.

Für mich war und ist die Lektüre wichtig, weil sie aufzeigt, dass es andere Wege gab und hoffentlich wieder gibt, denn Hoffnungslosigkeit angesichts der Klimakrise speist sich aus der Ausweglosigkeit. Aus der Idee, es gibt keine Alternative und es war doch noch nie anders. Es muss doch wieder wie früher gehen.

Diese vier Bücher zeigen alternative Wege und können helfen, unser Denken in neue Bahnen zu lenken.

1. Tyson Yunkaporta: Sand Talk

Die größte Begeisterung hat das Buch von Tyson Yunkaporta ausgelöst: Sand Talk (der englische Originaltitel ist auch der deutsche), erschienen bei Matthes und Seitz, Berlin. Der Autor, Tyson Yunkaporta, ist ein Angehöriger des Apalech-Clans im Westen des Kontinents und Professor für Indigenes Wissen.

Anstatt zu versuchen, die indigene Welt der australischen Aborigines zu beschreiben, erzählt er von der Sicht der Aborigines auf die moderne Welt und ihre Herausforderungen. Genau darüber wurde mir bewusst, wie sehr sich unsere Denkweisen unterscheiden, und diese indigene Sichtweise nachzuvollziehen ist teilweise eine Herausforderung. Viele Lichter sind mir dabei aufgegangen und vieles hallt nach.

Dabei geht es nicht nur um die Wirtschaft, sondern um alle Ebenen der Gesellschaft, von Kindererziehung über Schule und Wissensvermittlung, das Lernen selbst, die Art des Denkens und der Organisation von Alltag und vieles mehr.

Die Welt vernetzt - viele verschiedenfarbige Sterne bilden ein Netzwerk
Die ganze Welt ein Netzwerk – Aborigine Kinder denken in Beziehungen

So beschreibt er, dass Aborigine Kinder sich sehr viel mehr merken können, was damit zusammenhängt, dass sie nicht linear auswendig lernen, sondern gewohnt sind, in Beziehungen zu denken. Die Dinge stehen nie allein, sie sind immer in Beziehung miteinander, und diese Verbindungen sind die Basis für ein Leben in einem Netzwerk, verbunden mit Natur und Erde auf jeder Ebene.

Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit Konflikten und Gewalt. In der Öffentlichkeit, sprich mit Zeugen und mit klaren Regeln.

Ich habe das Buch ganz durchgelesen, um gleich wieder von vorne anzufangen, was mir noch nie passiert ist.

2. Robin Wall Kimmerer: Geflochtenes Süßgras

Ein Buch, was insbesondere für Menschen mit Interesse an Botanik, an Garten und Pflanzen ein gelungenes Geschenk sein dürfte, ist von Robin Wall Kimmerer: Geflochtenes Süßgras, erschienen im Aufbau Verlag. Sie ist Professorin für Umweltbiologie in New York – und Mitglied der Potawatomi-Nation von Oklahoma, dabei verbindet sie in ihrem Buch das traditionelle indigene Wissen, Mythen und Geschichten mit der Wissenschaft.

Sie erzählt von ihren Erfahrungen mit dem Süßgras, die Schöpfungsmythen, die dazu gehören, mit der Gewinnung von Ahornsirup und verflicht dies mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungen. Auch bei ihr dreht sich alles um die Verbundenheit mit der Erde, und der Gegenseitigkeit dieser Beziehung.

Ihre mäandernde Erzählweise hat mir gut gefallen, gerne bin ich den ganz verschiedenen Fäden, die sie aufnimmt gefolgt. Ich habe mich immer wieder gefragt, wenn sie Beispiele von indigener Landwirtschaft gebracht hat, was wohl hier in Europa alles verloren gegangen ist.

Das betraf insbesondere die sogenannten „drei Schwestern“, den gemeinsamen Anbau von Kürbis, Bohnen und Mais. Alle drei Pflanzen unterstützen sich dabei gegenseitig und verhindern das Austrocknen des Bodens, halten sich gegenseitig Schädlinge vom Leib und helfen sich gegenseitig beim Wachstum (Mais zum Beispiel ist das Klettergerüst für die Bohnen). Ich hoffe, ich erinnere mich richtig, denn die Lektüre ist bereits eine Weile her;)

3. Michaeleen Doucleff: Die Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen

Auch in diesem Buch von Michaeleen Doucleff: Die Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen geht es um das indigene Weltbild. Ursprünglich im Kösel Verlag unter dem Titel erweiterten Titel „Kindern mehr zutrauen – Die Erziehungsgeheimnisse indigener Kulturen“ erschienen, ist jetzt auch das Taschenbuch von Penguin erhältlich.

Die Autorin ist Journalistin und war auf Grund ihrer Arbeit viel in der Welt und bei indigenen Kulturen unterwegs. Daher verfügte sie über Kontakte, als sie mit ihrer kleinen Tochter nicht mehr weiterkam. Sprich: sie war mit ihr in Machtkämpfe verstrickt und war buchstäblich gegen die Wand gefahren. Da kam sie auf die Idee, verschiedene dieser Völker zu besuchen, unter anderem Maya und Inuit, da sie dort gesehen hatte, wie anders die Kinder dieser Menschen agierten und wie viel entspannter das Verhältnis zu ihren Kindern war.

Sie schnappte sich also ihre 3-jährige Tochter und machte diese Besuche mit ihr zusammen, um dort zu lernen, wie es anders gehen könnte. Sie ließ sich darauf ein, neue Wege des Miteinanders zu lernen. Darüber schreibt sie in diesem Buch.

Ich habe keine Kinder und trotzdem habe ich dieses Buch sehr gespannt und in einem Rutsch durchgelesen. Dabei haben mich mehrere Aspekte sehr beschäftigt.

Wie in den ersten beiden Büchern dreht sich im Grunde alles um das Beziehungsgeflecht. Im Westen gibt es das Kinderzimmer, Spielzeug, den Katzentisch für die Kinder. Helfen in der Familie ist separat und wird als Aufgabe an die Kinder verteilt, getrennt von allem anderen. Sie spielen oft nicht mit der Familie, sondern separat in ihrer Kinderwelt, für sie wird ein extra Spiel, ein extra Ausflug veranstaltet. Mutter oder Vater in der Küche und bei der Arbeit dürfen nicht gestört werden.

Kinderzimmer mit rosa Bett, einem kleinen Regal und einem großen Drachen aus Samt
Kinderzimmer – getrennt von der Erwachsenenwelt

Während sie bei den indigenen Völkern sah, wie selbstverständlich Kinder ermutigt wurden, zum Beispiel in der Küche mitzuhelfen, selbst wenn sie für die Aufgabe zu jung waren und eher Chaos anrichteten. Sie konnten kommen, mitmachen und wieder gehen, wenn sie die Lust verloren. Diese Kinder erleben sich permanent als Teil des Ganzen, als Teil der Familie. Sie wuchsen in die Aufgaben und die Arbeit der Familie hinein. So dass sie, älter geworden, dann bei den Arbeiten wirklich helfen konnten. Doucleff zeigt auch, dass die Motivation der Kinder helfen zu wollen, um vieles größer ist als wir vermuten.

Das ist jedoch nur ein Aspekt, den die Autorin dort lernt und beginnt anzuwenden. Es geht unter anderem um den Umgang mit Konflikten und vieles mehr.

Dieses Buch hat mir meine eigene Erziehung und das, was mir fehlte, noch einmal deutlich vor Augen geführt. Ich habe viele Aspekte, die bei der Verarbeitung meiner Vergangenheit aufgetaucht sind, viel besser verstanden.

Also: nicht nur ein Buch für Menschen mit Kindern!

4. Annette Kehnel: Wir konnten auch anders

Dieses Buch ist für Menschen mit Interesse an Geschichte und alternativen Lebensweisen in Europa ein Fundus. Vor allem auch für diejenigen unter euch, die nach alternativen Möglichkeiten suchen.

Annette Kehnel, Professorin für mittelalterliche Geschichte in Mannheim, hat mit „Wir konnten auch anders“ (erschienen im Blessing Verlag) unser historisches Gedächtnis aufgefrischt, Lebensweisen und Modelle wieder aus der Versenkung befreit.

Ich habe dieses Buch bereits erwähnt, als es um das Erdzeitalter ging und die Einstellungen, die es hervor gebracht hat. Unter anderem kam die Idee, dass früher alles schlecht war und nur das Neue gut, erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts und der Industrialisierung auf. So zeigt sie, was in den vergangenen vormodernen Zeiten funktionierte.

Unter anderem gab es schon die nachhaltige Bewirtschaftung des Bodensees, Crowdfunding und Baustoffrecycling. Die Denkweise in Bezug auf die Wirtschaft war sehr viel vernetzter und bewusster als wir heute annehmen – das Mittelalter war schließlich kein dunkles!

Es ist tröstlich zu sehen, welche Modelle wir hier in Europa hatten – und unser Gedächtnis aufzufrischen. Denn dem „aber das geht doch nicht“ oder „so hat es noch nie funktioniert“ etwas entgegen setzen zu können, schenkt uns ein wenig Optimismus, den wir in dieser Zeit gut gebrauchen können.

Fotos

2 Kommentare

  1. Liebe Irene,
    was für ein Geschenk Dein Artikel ist jetzt in der Vorweihnachtszeit, dass Du Deine so persönliche Sicht mit uns teilst. So geht Netzwerken und Miteinander!

    Sowohl für mich als auch für liebe Mitmenschen fallen mir sofort Verbindungen auf und ein, und ich freue mich, solche Geschenke mir und anderen zu machen!

    Eine beonsdere Vorweihnachtszeit,

    Karen Seelmann-Eggebert

  2. Liebe Karen,
    sehr gern geschehen!
    Es freut mich, dass du so viel mit den Büchern anfangen kannst (und sie tatsächlich Anregungen sind).
    Ich lese längst nicht mehr so viel wie früher, und war deshalb sehr glücklich, so angeregt und inspiriert zu werden.
    Ich wünsche dir eine geruhsame Weihnachtszeit und viel Zeit zum Lesen,
    Irene

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert